Es ist mehr Berufung als Beruf – Beitrag zum Tag der Mediation 2019
Mediatorin Nina Schwarzkopf fordert mehr aussergerichtliche Verfahren bei Konflikten
Nina Schwarzkopf, Mediatorin und Vorstandsmitglied im Verein Mediation Liechtenstein, wünscht sich von Anwälten, Gerichten, Behörden und dem Ministerium für Justiz mehr Unterstützung bei der Implementierung der Mediation in die Gesellschaft. Ihre Forderung ist klar: «Mediation ist eine professionelle Dienstleistung, von der alle profitieren. Es wird auch in Liechtenstein Zeit, dieses Potenzial auszuschöpfen.»
Frage:
Frau Schwarzkopf, warum sind Sie Mediatorin geworden?
NS:
Als Psychologin lag für mich die Weiterbildung zur Mediatorin auf der Hand. Mich hat immer gestört, wenn ich erfahren habe, wie Konflikte im privaten wie öffentlichen Leben, unter den Teppich gekehrt, aber nicht langfristig und nachhaltig gelöst werden. In Gerichtsverfahren, aber auch generell bei vielen für die Beteiligten scheinbar unlösbaren Konflikten, wird nur die Spitze des Eisbergs sichtbar. Oft wird nur nach finanziellen Aspekten oder gemäss eigener Machtposition entschieden. Die eigentlichen Bedürfnisse und Interessen der streitenden Parteien bleiben meist ohne aussenstehende Unterstützung im Verborgenen und daher langfristig ungelöst. Als Mediatorin unterstütze ich die Streitenden beim Austausch ihrer Bedürfnisse und Interessen und mache sie gegenseitig erleb- und begreifbar. Ebenso übersetze ich die Kraft der Gefühle ins Positive, helfe, sie für die andere Seite sichtbar zu machen. Ich empfinde diesen Transformationsprozess als sehr befriedigend.
Frage:
Welche Eigenschaften müssen ein Mediator/eine Mediatorin mitbringen?
NS:
Mediatoren müssen strukturiert arbeiten, klare Gesprächs- und Verfahrensregeln aufstellen und sie auch durchsetzen können. Dazu gehören auch Gesprächstechniken, um die Menschen zu öffnen und ihnen das Vertrauen in das ihnen meist doch unbekannte Terrain zu erleichtern. Ehrliche Empathie und Vertraulichkeit, eine allparteiliche Haltung allen Beteiligten gegenüber und nicht zu Letzt Diskretion nach aussen sind Grundvoraussetzungen einer Mediation. Aber das Allerwichtigste ist das Interesse an Menschen und deren Problemen, um ihnen bei der Lösungsfindung zu helfen.
Frage:
Gibt es ein gemeinsames Grundmuster bei Konflikten?
NS:
Ob im öffentlichen oder privaten Bereich, es stellt sich immer wieder heraus, dass es Missverständnisse, persönliche Verletzungen, mangelnder kommunikativer Austausch, Konfliktscheue oder fehlende Reflexion über eigene Bedürfnisse und Wünsche sind, die gewollt oder ungewollt zu teils massiven Differenzen führen. Oft dreht man sich hierbei im Kreis und kommt ohne einen neutralen Dritten nicht zu einer Klärung bzw. Lösung.
Frage:
Wie lange dauert eine Mediation und wie hoch ist die Erfolgsquote?
NS:
Im Schnitt dauert ein erfolgreiches Mediationsverfahren 10 bis 15 Stunden und ist daher deutlich günstiger als ein über Jahre andauerndes Gerichtsverfahren. Des Weiteren schont es die Nerven und hilft den Streitenden ihr Gesicht zu wahren. Die Mediation folgt der Annahme, dass Menschen prinzipiell die Fähigkeit besitzen, ihre Probleme selbst zu lösen, wenn der Blick für alternative Möglichkeiten und neue Denkwege freigelegt wird. Dazu braucht es jedoch eine gewisse Offenheit der Betroffenen, eine Mediation als alternativen Lösungsweg gemeinsam auszuprobieren. Mediation hat sich bereits an vielen Orten als Erfolgsmodell bewährt. Aber natürlich kann eine Mediation auch scheitern, wobei ich der Meinung bin, dass auch eine gescheiterte Mediation den Horizont erweitert.
Frage:
Wäre Mediation vor einem Gerichtsverfahren sinnvoll?
NS:
Das wäre sicher in vielen Fällen sehr sinnvoll. Denken Sie z.B. an strittige Fälle die gemeinsame Obsorge von Kindern betreffend. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber bei der Reform des Kindschaftsrechts die Möglichkeit der gerichtlich verfügten Mediation als ergänzende Verordnung eingeführt. Sie umfasst maximal 10 Mediationsstunden à CHF 150.-, die vom Staat an einen eingetragenen Mediator auf entsprechenden Nachweis entrichtet werden. Ein Richter, der diesen Weg unterstützt nimmt daher eine vom Gesetz vorgesehene Aufgabe wahr. Leider sind uns jedoch seit Einführung der gerichtlich verfügten Mediation vor vier Jahren erst drei vom Gericht angeordnete Mediationen bekannt. Wo bleibt da der geforderte Kinderschutz? Wo bleibt die Sicht der Kinder und derer Bedürfnisse?
Erfreulich ist jedoch, dass bereits viele Verträge und Rechtsschutzversicherungen heute im Falle von Streitfällen Schlichtungsverfahren oder als Alternative die Mediation beinhalten. Mediation wird auch bei internationalen und grenzüberschreitenden Konflikten, politischer oder wirtschaftlicher Natur, erfolgreich eingesetzt. Aber natürlich gibt es eine Reihe von Sachlagen, die gerichtlich entschieden werden müssen. Zudem braucht es immer die Bereitschaft zu einer Mediation von beiden Seiten. Andernfalls ist das Verfahren nicht zielführend.
Frage:
Seit 2005 gibt es in Liechtenstein das Zivilrechtsmediationsgesetz. Haben sich die Erwartungen erfüllt?
NS:
Das Zivilrechts-Mediations-Gesetz ist am 1. Mai 2005 in Kraft getreten.
Grundsätzlich ist das Gesetz gut, weil es Mediation in unserem Rechtssystem verankert hat. Es bezieht sich jedoch nur auf den zivilrechtlichen Bereich, d.h. auf Mediationen zur Lösung von Konflikten, zu deren Lösung die ordentlichen Zivilgerichte zuständig sind.
Weiters regelt es u.a. die Ausbildungserfordernisse derjenigen Mediatoren, die sich auf der Liste der Regierung als Eingetragene Mediatoren für diese Fälle aufführen lassen wollen. Das Gesetz hat jedoch nicht den gewünschten Schub erbracht. Auch nach der Abschaffung des
Vermittleramtes hat sich hierbei nichts geändert. Das Potenzial, welches Mediation bietet, wurde bisher nicht annähernd ausgeschöpft.
Frage:
Wie wird man Mediator?
NS:
Mediation ist eine ungeschützte Berufsbezeichnung. Es gibt jede Menge professionelle, aber auch weniger tiefgehende, schnellere Ausbildungswege. Eine seriöse Mediationsausbildung stellt auch eine wertvolle berufliche Zusatzqualifikation dar. Aus diesem Grund wurde ich auch Gründungsmitglied des Vereins Mediation im Jahr 2005. Der Verein stellt sicher , dass zumindest unsere Mitglieder über eine qualifizierte, anerkannte Ausbildung verfügen. Einige sind übrigens auch Eingetragene Mediatoren. Mediator zu sein, bedeutet bei uns jedoch noch immer mehr Berufung als Beruf.
Frage:
Was wünscht sich der Verein Mediation anlässlich dem Tag der Mediation?
NS:
Wir wünschen uns, dass das Potenzial der Mediation in der Gesellschaft anerkannter wird. Des Weiteren wünschen wir uns, dass Klienten von ihren Anwälten mehr über die Möglichkeit alternativer Streitschlichtungsverfahren wie die Mediation informiert werden, bevor es zu Gericht geht. Das müsste auch in einer etwaigen Klageschrift Eingang finden. Verwaltungsstellen, Behörden, Gerichte und Ministerien sollten die Bürgerinnen und Bürger stärker über alternative Verfahren informieren. In jenen Ländern, in denen Mediation als professionelles Verfahren anerkannter ist, wird über eine merkliche Entlastung der Gerichte berichtet.
Nicht zuletzt wäre es wünschenswert, wenn Menschen offener und selbstbestimmter bei der Lösung ihrer Konflikte wären.
Tag der Mediation: Dienstag, 18. Juni 2019.
Will die Bekanntheit der Mediation in der Öffentlichkeit steigern und wird seit 2013 jährlich in den deutschsprachigen Ländern mit diversen Veranstaltungen und Berichten begangen.
Mediation ist eine professionelle Dienstleistung, welche bedürfnis- und ergebnisfokussiert arbeitet. Ein oder mehrere unabhängige und unparteiliche Mediatoren unterstützen die Betroffenen, ihre Probleme auf dem Verhandlungsweg eigenverantwortlich und einvernehmlich zu lösen.